Ich, die Egoistin. Ein gewagter Satz. Ein provokanter Satz. Und doch kann ich ihn niederschreiben, im Wissen, dass wenn man mir die Zeit schenkt, diesen Satz zu erläutern, die einen oder anderen mich in dieser Aussage verstehen. Ich, die Egoistin.
Es läuft nicht wenig zur Zeit. Viele kennen das. Auch wenn man sich im klassischen Sinne dem Weihnachtstrubel entzieht, so schleicht das Jahresende nicht ohne Spuren an einem vorbei. Dies und das. Hier und dort. Alle wollen was. Jeder tut was. Alle Jahre wieder quasi. Ich muss allerdings sagen, ich habe keinen Weihnachtstrubel. Ich habe keinen Weihnachtsstress. Dem kann ich mich immer wieder gut entziehen. Was ich allerdings habe ist, Müdigkeit. Erschöpfung. Ein sich temporeich drehendes Hamsterrad, das ich einfach nicht zu verlassen vermag. Das hat weder was mit Advent noch mit Weihnachten noch mit Jahresende zu tun. Das Timing der Erkenntnis hat sich einfach zufällig auf den Dezember gelegt.
Und so schlittere ich in eine Müdigkeit hinein, die ich so nicht bewusst provoziert habe. Warum nur? Ja, warum nur. Da kommen Emotionen hoch, die normalerweise weitaus stärkere Reize benötigen um derart an die Oberfläche zu kriechen. Die Tränen fliessen nicht schnell bei mir. Aber zur Zeit – ja zur Zeit sind sie akut zur Stelle, wenn der Weg auch nur ein wenig vom dem abweicht, was als geplantes Tages-Soll in meinem Kopf dargestellt ist.
Und dann kommt diese Müdigkeit nicht in Form von „hey-ich-hau-mich-mal-aufs-Sofa“. Oder als „wenn-ihr-mich-sucht-ich-bin-im-Bett“. Sie kommt im Mantel einer ganz tiefgreifenden Traurigkeit. Und das ist es, was mich komplett aus der Bahn wirft. Und so hat es mich letzte Woche nicht nur komplett aus der Bahn geworfen, sondern es hat mich wohl sprichwörtlich aus der Bahn katapultiert. Kein Wort kam mehr, nur noch das Augenwasser.
Warum nur? frage ich mich im drehenden Hamsterrad. Und noch beim Hinterfragen dreht sich das Rad. Dreht sich. Und dreht sich. Schneller und immer schneller. Und ich kann mir selber nicht helfen, den Weg aus dem Tempo hinaus zu finden. Bis ein ganz lieber Mensch sich Zeit nimmt, mir zuzuhören. Und versteht. Versteht was ich gerade fühle und nicht-fühle. Mir sagen kann, warum ich fühle, wie ich fühle.
Warum nur, bin ich so müde? frag ich mich. Und es ist eigentlich ganz einfach beantwortet. Aber die Antwort ist eben auch ein wenig schmerzhaft. Zeigt eine Schwäche auf, die ich hochtalentiert zu vergraben vermag. Ich gönne mir keine Pause. Ich gönne mir keine Ruhezeit. Ich liebe es, anderen zu geben. Vergesse dabei für mich zu nehmen. Ich kann hier was geben und da was helfen – aber ich vergesse für mich selber, eine Pause einzufordern. Und so sagt mir dieser liebe Mensch: „Gönne deinem Herzen Pause. Gib so viel du geben möchtest, aber tue dies auch für dich. So sehr dich das Geben befriedigt, so sehr braucht deine Seele auch das Nehmen. Du kannst nur so viel geben, wie du hast. Gibst du mehr, nimmst du es von dir.“
Und so kommt dieser Satz einmal mehr wieder: „wer viel nimmt, muss auch geben. wer viel gibt, muss auch nehmen. wer nur nimmt und nichts gibt, dem wird es genommen.“
Aber wohl geht diese Weisheit auch in die andere Richtung: „wer viel nimmt, muss auch geben. wer viel gibt, muss auch geben. wer nur gibt und nichts nimmt, dem wird zu viel genommen.“
So nehme ich mir zu Herzen, sprichwörtlich – meinem Herzen Ruhe zu schenken. Im Eigeninteresse von mir. Für mich. Und dadurch für andere. Nicht weil ich ein überirdisch tolles und generöses Persönchen bin. Nein. Nicht weil ich eine neue Form der Mutter-Theresa bin. Nein. Einfach weil ich so bin, wie ich bin, und gerne hier was tu und da was mach. Und deswegen schreibe ich: Ich, der Egoist. Kein Egoismus im Sinne von Ich-bezogen-sein. Ich-der-Mittelpunkt. Egoismus im Sinne von, was ist in meinem Interesse? Was tue ich für mich, damit ich für mich und andere dasein kann. Damit ich Kraft habe. Geben und nehmen kann. Damit das Gleichgewicht stimmt.
Ich kann wohl nur so viel geben, wie ich mir selber nehme, oder? Ich werde es heraus finden.