Habe ich nach deiner Meinung gefragt?

Kennt ihr das? Dieses ungefragte Meinungskundtun? Man erzählt etwas und kriegt postwendend die Ansicht des Gegenübers retourniert. Man sinniert so vor sich hin und kann kaum den philosophischen Ansatz beenden, schon schallt einem die Meinung des Vis-à-Vis entgegen. Mir gibt das jedes mal zu denken und ich frage mich dann innerlich: Habe ich nach deiner Meinung gefragt?

Deine Meinung

Ich spreche jetzt natürlich nicht von angeregten Diskussionen die man führt. Oder von Auseinandersetzungen die auftauchen können. Da ist es klar, dass es zu Meinungsaustausch und oftmals auch zu Uneinigkeiten kommt. Nein nein, ich spreche von diesen Momenten, in denen man einfach IRGENDETWAS sagt, und prompt haut einem jemand die Meinung entgegen. Wisst ihr was: das nervt. Das nervt mich sogar gewaltig.

Versteht mich nicht falsch, ich bin total für Meinungsfreiheit und angeregten Austausch jeglicher Ansichten. Aber bitte nicht bei jedem Satz und nicht bei jeder Gelegenheit. Warum meinen nur so viele, dass es angebracht ist, jedesmal seinen Senf dazuzugeben? Hat das etwas mit der heutigen Art von schneller Kommentar-Macherei zu tun? Das denke ich mir nämlich oftmals. Egal ob unter einem Facebook-Eintrag, einem Instagram post oder einem Artikel in einer elektronischen Magazinsausgabe: immer und ständig kommentieren die Leute. IMMER. Die Kommentare gehen von saublöd bis strumpfdumm.

Ja, ich weiss, eine nicht so angebrachte Art mich auszudrücken. Aber mich nervt das echt dermassen, dass ich „saublöd“ und „strumpfdumm“ einfach schreiben musste. Die Kommentare sind selten von gescheitem Inhalt. Meistens gehen sie unter die Gürtellinie oder sind einfach nur anprangernd oder vernichtend. Und so kommt es mir auch öfters bei Gesprächen in einer Runde vor. Jemand sagt etwas und „watsch“ kommt die Meinungsohrfeige. Ungefragt. Unangebracht. Unnötig.

Leben und leben lassen – vielleicht verfechte ich das ein wenig zu viel. Aber warum können wir nicht einfach mit einem Sammelsurium von Ansichten leben, sie zur Kenntnis nehmen und jedem seine Auswahl zugestehen. Ich mache es so, wie ich es für das Beste halte, mein Gegenüber macht es genau andersrum. Und der Dritte im Bunde gleich nochmals ganz anders. Ja und? Genau das macht es doch aus, die Vielfalt. Und wenn ich mit einer Ansicht nicht zurecht komme, dann übernehme ich sie einfach nicht in meinen Alltag. Es muss mich ja nicht kümmern. Ist ja nicht mein Ding.

Anders wäre es mit dem sich-für-andere-einsetzen-wenns-wirklich-wichtig-ist. Die sogenannte Zivilcourage – aber das ist ein anderes Thema. Man kann den Blick online Artikel mit Inbrunst kommentieren, aber für einen Mitmenschen einstehen, dem gerade Ungerechtes geschieht, das übersteigt dann doch die Kompetenz… Ihr seht, ich werd da ganz zynisch und hoch-explosiv-emotional.

Zurück aber zu meinem: Habe ich nach deiner Meinung gefragt? Mal ehrlich, wie oft passiert es euch, dass ihr mit Aussagen konfrontiert werdet, die euren individuellen Alltag betreffen? „Aha, du bist Veganer?“ „Aha, du isst täglich Fleisch?“ „Aha, deine Kinder gehen zu Montessori?“ „Aha, du bist also nur Mutter, also du arbeitest nicht?'“ „Aha, du bist also berufstätige Mutter mit vier Kindern?“ „Aha, deine Kinder gucken TV?“ „Aha, deine Kinder gucken KEIN TV?“ „Aha, also das heisst, du trinkst keine Milch? gar keine?“ „Aha, nur Reismilch? Also ihr habt keine MILCH?“Und auf diesen Auftaktsatz folgt dann eine Litanei des Gegenübers, warum man das so nicht tun soll, wie man es eben tut und dass es dafür letztes mal genau im 20Minuten einen Artikel gab, der genau dies beweist, was man ja schon immer dachte…

Uff, Hilfe, helft mir – ich muss mich in solchen Situationen immer äusserst am Riemen reissen, denn meine bessere Superhälfte sagt mir immer wieder: Liebste, deine Blicke können töten, bitte beachte das. Ja, das mag sein. Ich töte mein nerviges Gegenüber mit den ach-so-fundierten-und-recherchierten-allgemein-gültigen Ansichten mit meinen Blicken. Steh ich dazu. Zu 100%. Obwohl ich mir dann öfters mal wünsche, ich hätte den Mut zu kontern: Habe ich nach deiner Meinung gefragt? Aber diesen Mut muss ich mir noch antrainieren.

Bis dahin schleife ich an meinem Todesblick.

PS: den hab ich übrigens vererbt – klein Napoleon kann den Todesblick auch. Er schenkt ihn mir ab und zu.

6 Gedanken zu „Habe ich nach deiner Meinung gefragt?

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