Ich war gerade so dran, ein paar Notizen zu machen – es kam mir da was in den Sinn, das zu Papier musste. Ruckzuck mir schnell den Bleistift geschnappt und begonnen auf das am nächsten liegende Papier zu kritzeln. „Laaaraaaaa aaaaauuuuuuu“. ??? Ich höre nicht hin, schliesslich hab ich ja gerade so Gedankenblitze. „Eeeeee aaaaauuuuuu“. ??? Hab ich neustens einen Gast im Haus oder ruft da mein Kind „ich auch“ in langgezogenem Berndeutsch? Das Händchen ausgestreckt, auf meinen Bleistift zeigend, kommuniziert mir meine Kleine ganz klar: das ist meins! Nicht deins! Okeeeeeyyyyyyyy??? – Ein Artikel über den Anspruch auf Eigentum oder wie man es schafft seinen Eigenbesitz zu verteidigen. Was ist meins? Was ist deins?
Die Geschichte ging so weiter, dass ich dann ohne weitere Vorahnungen den Bleistift meiner Tochter gab, mir den Kugelschreiber schnappte und weiter schrieb – gut, es war eigentlich nicht weiter schreiben, denn nach drei Buchstaben brüllte etwas „Eeeeeee auuuuuuu“. Nicht jetzt, oder? Da war es wieder, das ausgestreckte Händchen mit dem zielstrebig auf meinen Kugelschreiber gerichteten Fingerchen. Ich dachte mir, toll, tausch den Kugelschreiber, dann hast du deinen ursprünglichen Bleistift wieder. Denkste! Sie wollte dann doch wieder lieber den Bleistift, was ich ihr dann verwehrte, weil ich jetzt wirklich endlich meine Notizen machen wollte – sonst konnte ich es ja gleich bleiben lassen. Resultat dieser Situation: Kind am Boden, Beine strampelnd und Empörung kreischend.
Dieses das-ist-meins-und-nicht-deins-Spiel geht jetzt schon eine ganze Weile so. Gehört wohl zum Alter und dient der persönlichen Entwicklung – ICH WILL MICH ABER AUCH ENTWICKELN, KREISCH!!!!! (Ohje, ein Mama-Ausbruch, gottseidank nur in Gedanken). Es passiert wenn ich die Lippenpomade hervorkrame („Eeeeee aaaaauuuuu“), die Wasserflasche in die Hand nehme („Eeeeee aaaaauuuuu“), die Schüsslersalzdose öffne („Eeeeee aaaaauuuuu“), telefoniere („Eeeeee aaaaauuuuu“), auf’s Klo gehe („Eeeeee aaaaauuuuu“)… noch Fragen? Blöd, ja, ich weiss.
Jetzt stecke ich da ja in einem Dilemma, denn ich bin ja für Teilen und tue diese Tugend auch des öfteren mal in die Erziehung mit einbauen. Aber irgendwo ist mit Teilen ja auch mal Schluss mit Lustig! Dürfen Mamas und Papas auch mal nicht teilen? Dürfen sie Anspruch auf Eigenbesitz äussern? Dürfen sie sich vielleicht sogar mal abgrenzen?
Ich tendiere nicht nur, ich bin hoffnungslos dafür: PRO EIGENBESITZ FÜR MAMAS UND PAPAS! Denn wie soll die Kinderschar denn lernen, dass man zwar teilen soll, aber auch mal Situationen entstehen, in welchen sie nun mal einfach nicht bekommen was sie wollen? Und es geht hier nicht um Süssigkeiten, es geht um’s Alltägliche. Diese Dinge, die nerven, wenn man sie teilen muss. Ich erwarte, dass man mich auch mal für einige Minuten einfach in Ruhe etwas erledigen lässt, ohne dass alle daran teilhaben und mitmachen dürfen. Ich will ganz für mich mal einen Apfel essen, ohne die Hälfte davon sabbernd mit allen kleinen, noch so süssen, Mündchen teilen, nur weil der andere Apfel nicht so toll ist wie der, den Mama gerade isst. Und nein, ich mag es nicht wenn jeder aus meinem Glas trinkt, ihr habt eure EIGENEN Gläser.
Man soll mir nicht in den Teller fassen, auch wenn darauf gerade was liegt, dass man gerne hätte. Und ich mag es auch nicht, wenn ich mal dringend eine heisse Dusche brauche, weil irgendwas anstrengend war, und dann zwei kleine Knöpfe an der verglasten Duschtüre stehen und ihre Nasen daran platt drücken. Das ist jetzt gerade MEINE Dusche!
Klingt kindisch, ist es aber nicht. Denn wenn wir die Geschichte umdrehen, dann mögen die Kinder es auch nicht, wenn man ihnen einfach drein funkt. Wie zum Beispiel ohne Vorwarnung mit dem Gesichtslappen, schmiergelpapierartig über Mund-Nase-Wangen schrubben und erwarten, dass das Kind still mitmacht. Vergesst es. Oder wenn man beim Wasserfarbenmalen wohlwollen die pinselhaltende Hand dirigieren will: „Neeeeeeeein, selber!“ kommt es dann postwendend und nix ist mit mithelfen.
So plädiere ich für mehr Anspruch auf Eigenbesitz. Das ist meins, das ist deins – und zwischendurch tun wir ganz ganz ganz viel Teilen, denn das ist ja auch super schön. Nur halt nicht immer.
Das kommt mir gerade richtig bekannt vor ?!
Gell, wir sitzen da ja grad im selben Boot?