Wir streiten – und ich weiss nicht mal warum

Es ist einer dieser Tagesanfänge, an welchem man am liebsten folgende drei Dinge hätte: 1. per sofort abends um 23:55 Uhr, 2. einen Joker, einfach IRGENDEINEN Joker, 3. eine amtliche Legitimation um sich frusthalber für die folgenden 12 Stunden unter der Bettdecke zu verkriechen. Ratet mal, was an solchen Tagesanfängen nie der Fall ist… Genau, einer der oben genannten Punkte. Der Tag ist also wenige Minuten alt und ich ertrinke im Frust. Wir streiten – und ich weiss nicht mal warum.

streiten

Ob der Wurm drin ist, alle ausser (natürlich) mir nicht alle Tassen im Schrank haben, oder die gesamte Kinderschar „dure bi rot“ isch, ist mir egal. Man nennt es im Volksmund irgendwie so, für mich müsste es noch viel schlimmer klingen. Es ist nicht nur der Wurm drin, sondern es fühlt sich an, als hätte man gerade ganz hochoffiziell den Zonk gezogen. Inklusive aller A-Karten die im Stapel beilagen. Plus die Frust-Karten. Plus die Fies-Karten. Plus die Gemein-Karten. Plus die Zorn-Karten. Ein Tagesanfang zum Streichen. Und ich weiss einfach nicht warum.

Was passiert an Tagen wie diesen? Man steht auf, macht als Mama oder Papa alles frühstückbereit und versucht sich selber so weit wie möglich alltagstauglich zu gestalten. Aus dem einfachen grunde, dass wenn dann die Kinderschar erwacht, das „nötigste“ bereits gemacht ist. Genau das hab ich heute auch gemacht. Nichts schien aussergewöhnlich, nichts deutetet auf eine folgende Krise. Fräulein Flunker erwachte zuerst. Es gab eine erste Runde Kuscheln und Guten-Morgen-Knutscher, dann wünschte sie sich eine Geschichte. Gerne, das liess sich umsetzen, das „nötigste“ war ja bereits gemacht. Als Napoleon rief, war das erste mal Saure-Miene angesagt, Fräulein Flunker verstand nicht, dass ich die Geschichte kurz unterbrechen musste. Na gut, das ist Kinderfrust den ich kenne und nachvollziehen kann. Ich ging also zu Napoleon und bot ihm an, ihn zum Frühstückstisch zu tragen. Napoleon nam diese Dienstleistung danken an und wir kamen zum Geschichten-Szenario im Wohnzimmer. Napoleon hob den Kopf und sah das beleidigte Fräulein Flunker. Die wiederum schmollmundete Napoleon an und sagte: „Mama hat mir halt eine Geschichte erzählt. Dir NICHT!“ Darauf hin guckt mich Napoleon streng an und beginnt zu trotzen. Quasi: was ich mir denn einfallen liesse, nur EINEM Kind eine Geschichte vorzulesen. Ich war etwas überfordert mit der Anklage und wollte mit dem Schlagwort „Essen“ die Gemüter besänftigen.

Die Taktik schien zu fruchten, Fräulein Flunker und Napoleon gesellten sich mit mir zu den Müeslischalen. Doch irgendwie ahnte ich es bereits, war der Frieden von kurzer Dauer. Beim eingiessen der Reismilch, meldete sich Napoleon erzürnt, dass er dies selber hätte tun wollen. Ich sagte, dass ich das wisse, doch die Flasche sei noch total voll und deswegen bräuchte es meine Mithilfe. Erneut werde ich angeschmollt und zähle zum ersten aber nicht letzten Mal an diesem Tag leise von zehn rückwärts auf null.  Fräulein Flunker ihrerseits beschwerte sich, dass es zu viel Zimt auf den Haferflocken habe, ich erklärte ihr, dass sich dass leider nicht mehr ändern liesse, sie dürfe weniger Zimt nehmen bei der zweiten Portion. „Ich will auch eine zweite Portion“, schrie Napoleon darauf hin, obwohl er von seiner ersten Portion noch keinen Löffel gegessen hatte. War ja auch schwierig mit dem Schmollmund.

Taktik. Lass dir eine Taktik einfallen, sagte ich zu mir selber und meinte daher, ob alle beide nach dem Frühstück nicht etwas malen wollen. Fräulein Flunker war begeistert, Napoleon nicht. Fräulein Flunker mischte sich die zweite Portion Haferflocken, Napoleon meinte immer noch trotzig, dass er auch eine Zweite wolle. Dass er seine erste Portion noch nicht angerührt hat, machte unsere Diskussion leider auch nicht besser. Fräulein Flunker meinte dann, ob ich ihr nach dem Frühstück nicht eine Hexe auf dem Besen vormalen könne, dann könne sie diese ausmalen. Ich erklärte ihr ganz ruhig, dass es langsam etwas eng werde mit der Zeit. Ich müsse noch die Küche machen, alles für unseren Besuch bereit stellen und allen die Zähne putzen. Dass ich eigentlich zuerst noch beide Kinder zum Anziehen bewegen muss, frisieren soll, zum Toilettengang überzeugen darf und die Abwaschmaschine ausräumen kann, erwähnte ich nicht – man soll ja nicht auf den Details rumreiten.

Ratet mal wer mir dann vollen Zornes in’s Gesicht sagte: „Dann komme ich halt nicht mit zum Besuch!“ Ja, genau, Fräulein Flunker. Wutentbrannt stampfte sie nach oben in ihr Zimmer und machte die Tür zu. Ich zählte erneut von zehn rückwärts auf null. Leise. Napoleon guckte mich mit zusammengekniffenen Augen an und wartete wohl ab, was als nächstes geschieht. „Könntest du jetzt bitte dein Frühstück essen?“ „Fräulein Flunker ist auch weg vom Tisch, ich will auch weg vom Tisch! Wieso darf ich nicht weg vom Tisch?“ HIMMELHERRGOTTNOCHEINMAL.

Ich kapitulierte, weder zählte ich nochmals von zehn rückwärts auf null, noch lies ich mir irgendeine nicht funktionierende Taktik einfallen. Dieser unsägliche doofe Tagesanfang konnte mir so was von den Buckel runterrutschen, ich sag’s euch. Soll schmollen wer will, soll trotzen wer mag, soll rumgemotzt werden was das Rumgemotze hergibt – ich bin raus. Streichmorgen, Streichtag. Und als ich mir das so eingestand, musste ich bemerken, dass ich nicht einmal wusste, warum wir eigentlich alle so stritten. Ich hatte keinen blassen Schimmer woher das gerade alles kam. Furchtbar. Frustrierte mich gleich noch einmal mehr.

Jetzt ist es Abend, der Tag ist überstanden. Irgendwie hat sich die Streiterei verflüchtigt, wir hatten irgendwann noch das Kriegsbeil begraben. Woher das kam, weiss ich auch nicht mehr. Es war einfach so. Auf Streit folgt Versöhnung, das ist wohl Naturgesetz. Woher allerdings der Streit kam… fragt mich etwas, dass ich weiss.

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