Kia Ora – Willkommen Neuseeland

Etwas mehr als 11 Stunden nach Verlassen Hongkongs, landeten wir nach einem sehr angenehmen Flug in Auckland. Munter und glücklich die ganze Truppe, alle Gepäckstücke mitgereist und mit Bravur den Schnüffeltest des Grenzhundes überstanden, rollten wir unser Hab und Gut Richtung Transfer zur Camper Pickup Stelle. Nach dem üblichen Prozedere hiess es: Einsteigen, Anschnallen, Losfahren. Kia Ora – Willkommen Neuseeland.

Unsere erste Etappe führte uns an den Anfang der Coromandel Peninsula. Das Camping in Miranda hatte natürliche heisse Quellen, genau das, was müde reisende Knochen gebrauchen konnten. Nachdem wir jede Schublade unnötigerweise drei- bis viermal geöffnet hatten, lernten wir auch unsere Camperküche immer besser kennen. Das Kochen auf engem Raum wurde zum Vergnügen und die familiäre Menuliste bestand aus Gemüsepfannen mit abwechselnd roten oder grünen Linsen, grünen oder gelben Erbsen, Kokosreisgerichten oder grossen bunten Gemüsesalaten. Miranda, Coromandel Town, Hahei, Cathedrale Cove – Coromandel Peninsula zeigte sich uns in strahlendem Blau, mit türkisem Wasser und beeindruckenden Sandbuchten.

Weiter ging’s zum Bay of Plenty – ein Muss für mich, verbrachte ich doch ein halbes Jahr in Mount Maunganui nach der Matura. Vorbei an Avocadoplantagen fuhren wir durch Waihi, Katikati, Tauranga bis hin zum Mount, an dessen Fusse wir uns für zwei Nächte installierten. Surferfeeling, mein altbekanntes Mount MellickIrish Pub , tolle Restaurants – es war viel los in meiner alten Heimat. Dass inmitten der Flaniermeile ein Eisfeld stand, auf welchem man zu Michael Bublés Christmas Blues Schlittschuhlaufen konnte bei plus 20 Grad Celsius, war etwas seltsam, aber wohl nur für die Winterweihnachtsmenschen wie uns. Schöns war’s am Mount und weiter ging’s in die rauchende, atemberaubende und beeindruckende Gegend von Rotorua.

Auf dem Weg zu unserem Übernachtungsort im Waikite Valley hielten wir beim Kerosene Creek an. Der Weg dahin war uneben und steinig und nach zehn Minuten dahinholpern, begleitet vom Scheppern und Rasseln des gesamten Camperinventars kamen wir an’s Ziel: Ein Bach, umgeben von dichter und wilder Natur, mit kleinen Wasserfällen und naturgeformten, hüfttiefen Becken – warm. Richtig, richtig warm. Quasi ein Zurzach oder Schinznach Bad aber halt mal einfach so mitten im Wald. Wir zogen die Badesachen an und folgten dem Ufer, bis wir eine geeignete Stelle zum Baden fanden. Unglaublich beeindruckend. Wir sassen in einem Bach, der natürlicher nicht sein konnte und wurden vom dampfenden Wasser umgeben und die Wasserfälle fühlten sich wie Massagedüsen an. Einer dieser Momente, die sich in unser Erinnerungsvermögen brennen wird. Waikite und Waiotapu waren nicht minder beeindruckend. Diese fühlbare Geothermik zeigte uns auf, wie gross und gewaltig unsere Natur ist. Was alles auf, im und um unseren Planeten passiert, von dem wir so wenig mitbekommen und es für so selbstverständlich nehmen.

Weiter ging es nach Taupo – zum dritten Mal bin ich an diesem Ort, und immer wieder besuche ich die Stelle, an welcher ich meinen ersten Bungy Jump gemacht habe. Tiefblau zeigte sich der Waikato River wieder einmal – ein beeindruckender Ort. Nicht nur für den freien Fall, auch einfach für das Auge. Vorbei ging’s am naturgewaltigen Tongariro Nationalpark. Die Tageswanderung „Tongariro Crossing“ soll atemberaubend sein – mit Kindern aber schlichtweg nicht machbar. Dafür muss ich wiederkommen. Schön, hab ich also bereits einen Grund, Neuseeland in Zukunft wieder zu bereisen. Die Sicht auf Mount Tongariro, Mount Ngauruhoe und Mount Ruapehu ist aber auch vom Fusse aus gewaltig. Auch wenn ich wenig von „Herr der Ringe“ verstehe, kann ich durchaus verstehen, warum hier etliche Drehorte der Filme zu finden sind. Die Landschaft beeindruckt nachhaltig.  Ganz südlich des Nationalparks fanden wir einen der schönsten Campsites bis jetzt. Gelegen an einem kleinen Bach mit grossen, dichten Bäumen und wildem Buschland direkt angrenzend, war Ohakune unser Schlafplatz.

Wie ihr also seht, kamen wir vom Norden, über die Ostküste, fuhren durch’s Landesinnere und nun waren wir auf dem Weg an die Westküste – Wanganui war das nächste Ziel. Allerdings nur für einen kleinen Kaffeestopp, denn wir wollten an den einsamen Waiinu Beach. Also fuhren wir nördlich der Westküste entlang und bogen in Waitotara links an die Küste ab. Was uns erwartete, hatten wir uns so wunderschön nicht vorstellen können: feinster, schwarzer Sand, kunstvolles Schwemmholz, kilometerlange Einsamkeit und einen Sonnenuntergang der den Ausdruck „Kitsch“ wirklich verdient hat – im Positiven. Da waren nur wir und das Meer und der Wind. *Schmacht*

Vielleicht liest man es aus den obigen Zeilen – das „Seele-baumeln-lassen“ hatte bereits früh von uns Besitz genommen. Mit gemächlichem Tempo gestaltete sich unser Alltag. Ausschlafen, Frühstücken, Spielen, Zusammenpacken, Losfahren, Anhalten, Geniessen, Lesen, Schlafen. Klingt beneidenswert – ja, das ist es wohl. Das Nichtstun tut so gut. Wir sind tiefenentspannt, geniessen das „nicht müssen“. Wir haben Pläne, aber die dürfen wir jederzeit über Bord werfen. Wir machen Halt wo es uns gefällt, fahren vorbei wenn es uns nicht gefällt. So einfach ist das. Und so befreiend. Und wir realisieren, wie klein unsere Highlights des Tages geworden sind. Klein, aber fein. Das „Tschau Sepp“ nach dem Znacht, das Lesen vor dem Einschlafen, eingemummelt in der Bettnische mit unserer Sonnentaschenlampe „Little Sun“ von Changemaker. Die Freude auf das feine Frühstück, dass wir eigentlich immer draussen zu uns nehmen. Wir lachen, weil wir schon zum x-ten Mal den Kopf am Bett angestossen haben. Schmunzeln weil die Auto Hupe wieder losgeht, da die Handbremse bei jedem zweiten Mal noch nicht gelöst ist. Kichern, wenn die Mama den Wasserkocher einsteckt und dann merkt, Mist, wir haben ja keinen Strom. Alles ist einfach. Einfach gut. Wie ich eben gerne sage: einfach ist auch gut.

Und so ging es weiter auf unserem Roadtrip. Wir fuhren der Westküste gen Süden entlang, bis wir nach Wellington kamen. Da blieben wir mitten in der City auf dem Cuba Street Parking, genossen diese lebendige und tolle Stadt, assen bei einem Italiener und nahmen dann am nächsten Morgen die Fähre nach Picton. Die Augen konnten sich kaum satt sehen, am Weg des Queen Charlotte Drive. Mit den delikaten „green shelled mussels“ im Bauch verliessen wir nach einem kurzen Stopp Havelock und fuhren nach Nelson. Danach nördlich in den Abel Tasman Nationalpark. Unser Camper stand in Marahau, von da aus gingen wir Kayaken und mit dem Wassertaxi auf Erkundungstour.

Nach drei Tagen im Nationalpark fuhren wir an die wilde Westküste der Südinsel. Direkt am Meer in Westport schliefen wir, eingelullt vom Wind- und Wellenklang. Wir sahen unzählige Seelöwen am „Cape Foulwind“ und waren beeindruckt von den „Pancake Rocks“ – was die Natur Schönes formt, wenn sie nur Zeit hat. Die Brandung ist gewaltig und die Wellen die über den dunklen Sand das Ufer überschwemmen voller Energie. Was wir in Coromandel und Bay of Plenty gemütlich „bädelen“ konnten, nennen wir hier „standhaftes Wellenkämpfen“ – das Meer ist rauer und robuster an der Westküste. Kurz nach Greymouth fuhren wir über den Arthur’s Pass. Es regnete zum ersten Mal. Tief verhangene Berge, Täler, unzählige Flüsse und Deltas und kurvenreiche Strassen waren nun zu sehen. Und stundenlang einfach nichts. Nichts. Wir fuhren dem Regen quasi davon und hielten nahe Mount Hutt, am Rakaia Gorge. Ein winziges Camping mit freundlichen Besitzern und heissen Duschen. Und weil es immer noch etwas nass war, blieben wir im Camper drin und spielten „Schwarzen Peter“ und „Tschau Sepp“ bis die Spaghettis lind waren (nicht die Springhettis, die SPAGHETTIs). Und jetzt, jetzt sind wir am Lake Tekapo. Ein von Gletscherwasser gefüllter See, der in seiner Farbe so unwirklich erscheint, dass man denkt, ich stehe vor einer gephotoshopten Kulisse. Dem ist aber nicht so. Hier ist es einfach so schön, tatsächlich. Samtige Berge umringen ihn, weit und breit ist ausser dem Ort Lake Tekapo einfach nichts. Weite ohne Ende. Das Auge ruht, die Seele auch. Und jetzt endlich habe ich Zeit, zu schreiben, was wir tun und wo wir so sind. Ich hatte mir nichts vorgenommen, an Schreibzeit, aber ich muss ehrlich eingestehen: ich wollte schon viel früher einen Beitrag schreiben. Aber wie ich erwähnte, das „Seele-baumeln-lassen“ hat uns komplett erwischt, und die Zeit zum Schreiben war nie da. Wir mussten Spielen, Staunen, Malen, Reden, Gucken, Beobachten. Jetzt gerade ist aber Zeit, denn ich habe mich kurz ausgeklinkt. Der Rest der Familie sitzt in den Hot Pools der Lake Tekapo Springs. Und ich sitze hier im Camper und schreibe. Und beim Schreiben staune ich selber, was wir alles schon erlebt haben und doch erst gerade losgereist sind. Kia Ora – Willkommen Neuseeland. Du tust uns gut. So unendlich gut.

8 Gedanken zu „Kia Ora – Willkommen Neuseeland

  1. Nicole Stadler sagt:

    Habe deine Blogs erst entdeckt. Es gefällt mir wie du schreibst. Meine 3 Kinder sind schon älter (Junge 14, Mädchen 10, Mädchen 6) die Kleinkindzeit ist schon sehr streng, bin froh ist sie vorbei. Aber diese Phasen, Grenzen Herausforderungen kommen immer wieder, die Verletzungen und Tränen, weil Erwartungen nicht erfüllt werden, an uns selber, die Kinder den Partner. Weil die Nerven blank liegen, weil dauernd ein Kind drauf herum reitet, die Ohren weh tun vom Geschrei und Gezänk, man seine eigene gehässige Stimme nicht mehr hören kann, man sich weit weg wünscht an ein stilles einsames Ör

  2. Nicole Stadler sagt:

    Plätzchen wo niemand Mama schreit… Es geht ja allen Müttern mehr oder weniger gleich. Wir sollten einander mehr helfen und unterstützen anstatt als Einzelkämpferinnen unsere Energie verbrauchen. Geniesst eure Reise!

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