Das Fasten und ich

Das Fasten und ich – oder wie aus Zurückhaltung Zuneigung wurde. Beginnt so ein Liebesroman? Ich weiss es nicht, ich lese keine. Bei Büchern steh ich eher auf düsteres Zeugs. Egal, anderes Thema. Das Fasten und ich – ich versprach einen Erfahrungsbericht. Hier kommt er. Ehrlich – ungefiltert – subjektiv.

Fasten

Erster Tag: wir mochten uns nicht. Das Fasten und ich. Ich wachte auf und hatte Hunger. Stupid, ich habe NIE Hunger morgens früh. Aber ja, der Kopf, der tat mir von der ersten Minute an ein leidiges Werk an. Bin ich sonst überhaupt nicht so, dachte ich am ersten Tag irgendwie nur an’s Essen. Ich konnte mich auch irgendwie nicht richtig mit dem Gedanken anfreunden, dass ich das Vorhaben jetzt tatsächlich umsetzen sollte. Der Plan zum Fasten, die Idee, ja die war massiv einfacher und motivierender. Das Umsetzen haperte bereits in den Anfängen. Augen zu und durch – ich ging am Abend um 20:30 Uhr zu Bett. Einschlafen wird wohl helfen.

Zweiter Tag: Hunger. HUNGER. Schlechte Laune. Das Ganze wurde heute am zweiten Tag immens emotional und war meine mentale Hürde. Ich war schlecht gelaunt, mein Nervenkostüm unbrauchbar und selbst die Treppen im Haus stellten sich als unüberwindbar dar. Der schlimmste Tag rückblickend. Ich muss meinen eisernen Willen und meine Fähigkeit, stur zu sein, loben – ich hätte aufgegeben, wäre dieser typische Kopf den ich habe, nicht da gewesen. Wieder früh in’s Bett – anders wollte der Tag und die Misere kein Ende nehmen.

Dritter Tag: Ich wusste, dass ich vielen und lauten sozialen Kontakten nicht gewachsen sein würde – beim Wasserfasten fehlt es einem halt doch am einen oder anderen Energieschub. Also war ablenkender Besuch nur in einer Form möglich: Ab zu Mama und Papa. Bei meinen Eltern kann ich sein wie ich will, ob gähnend, müde, leise, schnarchend, schlafend, schlurfend, eben egal. Sie wussten, dass ich faste, sie nahmen meine Situation wie sie war und sie lieben es, uns zu Besuch zu haben. Es war ein weiser Entscheid. Der Tag verging schon besser, der Hunger war leiser geworden, die Laune fröhlicher. Mein Körper war zwar immer noch müde und ich vermisste meinen Elan und meine Kraft, aber die Idee des Fastens wurde schon eher zu einem Begleiter, als der Feind, der er die ersten zwei Tage war. Ich ging trotzdem früh in’s Bett – es wurde irgendwie zum Ritual.

Vierter Tag: Heute ging es mir sehr gut, der Tee schmeckte, das Wasser mundete, ich freundete mich an mit meinem Umstand. Ich hatte ihn schliesslich selbst ausgewählt. Das frühzeitige Aufhören kam nicht mehr in Frage und ich war fest entschlossen, meine vorgenommenen sechs Tage Fasten durchzuhalten. Mein Kopf fühlte sich schon irgendwie freier an und ich war weniger müde. Allerdings gestaltete sich der vierte Tag dann doch als kleine Hürde – wir waren zu einem Apéro und einem Nachtessen eingeladen. Jetzt kam diese soziale Stolperfalle wieder in’s Spiel. Alle wussten, dass ich faste, niemand stellte es in Frage sondern vielmehr waren mir alle eine Stütze und motivierten mich in meinem Unterfangen. Aber so mit leeren Händen neben einem gefüllten Apérobuffet zu stehen, mein Wasserglas klirrend an den anderen Weingläsern… ach, das war nun wirklich nicht sonderlich motivierend. Der Hunger oder wohl doch eher der „Gluscht“ kam zurück. Ich musste da durch und ich ging da durch. Als es gegen einundzwanzig Uhr ging stupste ich meine bessere Superhälfte an und sagte: „Trotz all dieser wunderbaren Leute – ich kann nicht mehr, ich mag nicht mehr reden, ich mag nicht mehr zuhören, meine Augen fallen zu, es ist Bett-Zeit.“ Wir mussten lachen, bin ich doch sonst die letzte die heimwärts will, wenn wir mit der Familie zusammensitzen. Aber die Tage sind anstrengender, selbst am vierten Tag. Zuhause fiel ich glücklich in’s Bett – ich vermisste schon fast mein Ritual vom frühen zu Bett gehen.

Fünfter Tag: Hello everybody, here comes superwoman – wüsste ich es nicht besser, ich würde behaupten, ich hätte im Schlaf einen Magic Mushroom mit Dextroenergen und Proteinriegel eingenommen. Ich glaube, man nennt das Break-even, oder? Hunger? Was ist das? Energielos? Ich doch nicht! Schlapp, müde, kraftlos? Alles Worte die ich nicht mehr kannte. Mein Körper lief nun sprichwörtlich im Automodus und zwar reibungslos. Meine physische und psychische Verfassung war auf einem Höhepunkt. Ich fühlte mich voller Elan, war geistig wach und interessiert, fühlte eine Leichtigkeit und innere Zufriedenheit. Das war wohl der Moment, wo das Fasten und ich die Zuneigung zueinander fanden. Der Liebesroman begann.

Sechster Tag: Hätte ich tatsächlich ein Superwoman Kostüm – ich hätte es angezogen. Authentischer hätte ich nicht durch den Tag wandeln können. Genau wie an Tag fünf, war auch Tag sechs ein totaler Wohlfühltag. Ich glaube, diese Phase hätte auch noch angedauert, wäre dies nicht mein letzter Fastentag gewesen. Ich war sogar nahe dran zu entscheiden, das Ganze einfach noch weiter zu ziehen, jetzt wo es so reibungslos lief. Doch mein Kopf sagte: nein, meine Liebe, du sagtest sechs Tage, du machst sechs Tage. Du kannst immer wieder mal Fasten, wir wollen nicht übertreiben. Danke du lieber toller, anständiger, rationaler Kopf. Ich hätte es wohl sicherlich noch länger gut erlebt, das Wasserfasten, aber man muss sich bei Dingen wie diesen nicht von der Emotion verleiten lassen. Sechs Tage sind genug, schliesslich habe ich zwei Kinder nebenbei und Arbeiten tue ich auch. Es hat mich gefreut, du liebes Fasten du, wir fanden unser Zuneigung zueinander, auch wenn der Start harzig war.

Was ziehe ich nun daraus? Was kann ich weitergeben? Was waren meine Erwartungen an das Fasten? Ich erlebte das Fasten als eine herausfordernde Aufgabe für Körper und Geist. Man muss sich bewusst sein, dass man mental und auch körperlich an Grenzen stösst. Es braucht viel Konsequenz, viel Überzeugung und den Glauben, dass man sich Gutes tut. Denn das tut man. Ich schrieb zu Beginn, dass dieser Erfahrungsbericht subjektiv ist. Er kommt von mir und nur von mir. Deswegen schreibe ich genau das, was ich darüber denke. Ich hörte nicht nur einmal negative Formulierungen über mein Vorhaben. Diese überhörte ich bewusst. Aussagen, die mein Fasten in Frage stellten, hatten in dieser Phase keinen Platz, um ihnen auch nur eine Sekunde an Aufmerksamkeit zu schenken. Soll jeder Denken was er will. Ich weiss, dass ich mir Gutes tat. Das Fasten schenkte meinen Körper Zeit, um sich auf Rudimentäres zu konzentrieren. Er durfte Funktionieren, seine Arbeit tun. Schon seit Ewigkeiten wird Fasten als spirituelle Übung gelebt. Man findet Klarheit, egal ob religiös, spirituell oder geistig. Es erdet, es reinigt. Und es stärkt. Und nein: das Fasten dient nicht der Gewichtsreduktion in erster Linie. Es kann bei Übergewicht allerdings als Hilfe zu einer Ernährungsumstellung dienen. Denn der Bezug zum Essen wird verändert – unweigerlich. Aber viel wichtiger ist: das Fasten unterstützt das Immunsystem. Es fördert die geistige Erholung, zeigt einem die Wichtigkeit von Ruhe und Gelassenheit auf. All unser Überfluss, die Wegwerf-Mentalität, das „schnell schnell“ und omnipräsente Dasein in sozialen Medien und auf elektronischen Kommunikationskanälen – es verliert an Bedeutung.

Jetzt, wo ich diese Zeilen schreibe habe ich bereits meine vierte Mahlzeit zu mir genommen und ich kann rückblickend sagen: ich werde Wiederholungstäterin – das Fasten und ich – oder wie aus Zurückhaltung Zuneigung wurde. Ein Liebesroman, wohl ja. Allerdings bin ich mir der Willensstärke bewusst, die es benötigt, um konsequent sechs Tage zu Fasten. Ich werde dies nun zwei- bis dreimal pro Jahr machen. Meinem Körper Ruhe vom Überfluss gönnen und meinen Alltag entschleunigen. Und für Zwischendurch werde ich auf die Methode des Intervallfastens zurückgreifen. Das Intervallfasten ist eine Essenspause von 24 bis 36 Stunden. Eine Methode des Fastens, welche sich gut in den Alltag mit Arbeit und Familie integrieren lässt. Man benötigt keine Aufbau- und Entlastungstage. Und man braucht auch keine Begleitung bei der Umsetzung. Das Heilfasten sollte man als Beginner und Einsteiger vorab mit einer ausgebildeten Person besprechen und planen oder sogar mit einer Kur in einer Klinik durchführen. Denn es bedarf dem Wissen, welche Kräuter und Tees als Begleitung geeignet sind. Welche Massnahmen bezüglich dem Darm zu berücksichtigen sind. Welche Schonung man dem Körper geben muss, um das Fasten gut zu erleben. Denn Fasten ist nicht Hungern. Fasten soll Gutes tun und tut es, wenn man es richtig angeht.

Und um allen an Zahlen und Fakten interessierten Leserinnen und Lesern auch noch eindrückliche Informationen liefern zu können, bin ich vor dem Fasten, sowie nach dem Fasten auf eine Körperwaage gestanden und habe Fett, Wasser, Muskelmasse, Gewicht, etc. gemessen. Ich habe total 2,7 kg an Gewicht verloren. Meine Muskelmasse lag vorab bei 46,6 kg, danach bei 45,2 kg (ich habe also erstaunlich wenig an Muskelmasse verloren, trotz des Fastens und der massiv verminderten Sporttätigkeit). Mein Fettanteil war zuvor bei 14%, danach bei 12,2% – man sieht also, der Körper greift zu den körpereigenen Fettdepots um sich Energie zu holen. Der Wasseranteil war identisch und der Grundumsatz war vorab bei 1425 Kalorien pro Tag, danach bei 1383 Kalorien pro Tag.

Wenn man nun all die Daten beiseite schiebt und mich einfach zu meinem Gefühl, meiner Sicht befragen würde, wäre meine Antwort: ich finde Fasten kann heilen, kann Ruhe geben, kann reinigen. Es erdet und lässt einen klarer werden. Es braucht aber auch viel Wille und viel Überzeugung und es zerrt mental an einem. Einmal überstanden denkt man klarer und findet wohl zu einem simpleren Essverhalten zurück. Denn erst durch Verzicht sieht man den Überfluss. Gewohnheiten können durchbrochen und alte Verhaltensmuster dadurch überwunden werden. Was seit Jahrtausenden praktiziert wird, kann nur gut sein. Sei es nun mit Heilfasten oder Intervallfasten. Wichtig dabei ist nur eines: sich informieren bei geschulten und ausgebildeten Personen. Dann wird das Fasten wirken, es wird gut tun und die Gesundheit fördern.

Auch ich bin jederzeit gerne für eure Fragen oder Anliegen zum Fasten erreichbar, kann euch begleiten, kann informieren. Und wer das Fasten per se etwas Überflüssiges und Unüberlegtes findet, dem kann ich sagen, dass diese Ansicht genauso Platz haben darf, wie die Überzeugte Meinung von mir. Jedem eben das seine – ohne Urteilen.

PS: In der neusten Ausgabe von Natur&Heilen ist ein toller Bericht über das Intervall-Fasten. Wer sich interessiert – schnell an den Kiosk gehen und das Heft kaufen, die Lektüre lohnt sich.

3 Gedanken zu „Das Fasten und ich

  1. Paola Rangel de Willimann sagt:

    Wow, you can write! Thanks for sharing your love story with the Abstinence ?
    ..what I don’t know is what I’m most impressed about: your will & determination to fast 6 days being an active athlete, mother of two… or those BMI figures!?
    But what is clear to me is that if you had already conquered your body, now you’ve also conquered your mind.
    Chapeau!!!

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